Inklusion – Alltag von Menschen mit Handicap – Einführung
Ich weiß dir Dank dafür, dass du mich so annimmst, wie ich bin.
Was habe ich mit einem Freund zu tun, der mich wertet? Wenn ich einen Hinkenden zu Tisch lade, bitte ich ihn, sich zu setzen und verlange von ihm nicht, dass er tanze.
Antoine de Saint-Exupéry
In meiner Praxis lernte ich eine sehbehinderte Klientin kennen, deren Schicksal mich sehr beschäftigte. Es eröffnete sich für mich eine völlig neue Welt, als mir Gabi von ihrem Alltag erzählte, den sie, mit wenigen Ausnahmen, selbständig gestaltet.
Gabriele Beckers Erblindung fing im zwanzigsten Lebensjahr mit der unheilbaren Augenerkrankung Retinitis pigmentosa an.
Für sie begann nun ein völlig neuer Lebens- und zunächst auch Leidensweg. Durch die fortschreitende Erblindung aus ihrem selbständigen Leben plötzlich in eine Abhängigkeit zu kommen, stellte sie vor eine große Herausforderung.
Doch sie hatte den Mut und fand die Kraft, aus ihrer damaligen Hilflosigkeit mit viel Mühe und Ausdauer wieder in ein neues, weitgehend selbständiges, Leben zurückzufinden.
In einem unserer Gespräche sagte mir Gabi, dass für sie diese Sehbehinderung leichter zu ertragen sei als nichts hören zu können. Denn Gehörlos fühlt man sich vollkommen von seiner Umwelt ausgeschlossen. Es hat mich sehr berührt, dass sie selbst in ihrer Situation etwas Gutes finden kann. Gabi hat durch ihre Sehbehinderung ihre anderen Sinne sehr geschärft. Ich bewundere ihre besondere Achtsamkeit und ihre Auffassungsgabe, die sich immer wieder in ihrem einzigartigen Orientierungssinn zeigen, indem sie z. B. Orte, an denen sie nur einmal war, in ihrem Gedächtnis abspeichert.
Nun freue ich mich, wenn ich euch richtig neugierig machen kann auf unsere Serie “Alltag von Menschen mit Handicap (Benachteiligung)”. Wir werden euch gemeinsam die verschiedenen Hilfsmittel für den Alltag vorstellen und euch so in diese neue Welt des Nicht-Sehens einführen.
Heute möchten wir euch den Begriff Inklusion vorstellen. In den folgenden Beiträgen werdet ihr dann erfahren, wie Gabi
- ihre Mobilität im Straßenverkehr erlernte
- Arztbesuche organisiert
- ihre Einkäufe tätigt
- Euromünzen erkennt und Euroscheine zuordnet
- die Blindenschrift erlernte
- Karten spielt und Würfelspiele möglich sind
- ihre Wäsche selbst wäscht
- kocht, bäckt und vieles mehr.
Lasst euch überraschen 😊
Aus Integration für Menschen mit Handicap entstand Inklusion.
In den früheren Jahren, als die Behindertenbewegung noch stockte, wurde das Bewusstsein geweckt, dass Menschen mit Handicap in die Gesellschaft integriert werden sollten. Es wurde begonnen, diese Idee umzusetzen und es ging in die richtige Richtung.
Nun kam die Zuwanderung von Menschen mit Migrationshintergrund, seit einigen Jahren sogar die Flüchtlingswelle. Nun sollten diese Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund in die Gesellschaft integriert werden. Da auch Menschen mit Handicap in die Gesellschaft eingebettet sein sollten, wurde für sie nun Integration zu Inklusion umgewandelt.
Inklusion bedeutet, dass die Gesellschaft nicht nebeneinander, sondern miteinander lebt – egal welche Religion, Hautfarbe oder Behinderung ein Mensch hat. Niemand sollte am Rande stehen, Ausnahmen dürfen zur Regel werden, Unterschiedlichkeit kann zum Ziel führen und Anderssein ist dann Normalität.
Wenn dieses von der Gesellschaft gemeinsam gelebt wird, hat sich Inklusion erfüllt.
Nächste Woche geht es weiter mit dem Thema ‘Mobilität und Orientierung’. Wir freuen uns auf euch – Gabi und Christina ♡